Das Institut für Pathologie im Klinikverbund Südwest hat seit Anfang Juni mit Dr. Irina Dostler eine neue ärztliche Leiterin. Im Interview stellt sie sich und ihre Arbeit vor.
Frau Dr. Dostler, wer Pathologie hört, denkt sofort an Krimis und ungeklärte Todesfälle. Ist das Ihre Hauptaufgabe?
Nein, wir Pathologen stehen eher am Anfang der Patientenbehandlung und werden eben nicht nur bei bereits verstorbenen Patienten zu Rate gezogen. Wir beschäftigen uns zu 95 Prozent mit Proben und Materialen von lebenden Patienten. Der eigentliche Schwerpunkt unserer Arbeit liegt darin, manchmal nur millimetergroße Gewebeproben kranker Menschen mikroskopisch zu untersuchen und zu analysieren.
Was machen Sie mit den Proben?
Der Pathologe definiert eine Krankheit exakt und erstellt ein pathologisch-histologisches Gutachten, ehe diese therapiert werden kann. Wir bekommen Biopsien, OP-Präparate und manchmal auch Schnellschnitte eingesandt, die dann noch während einer Operation untersucht werden müssen.
Was sind Schnellschnitte?
Bei Schnellschnitten liegt der Patient zu dieser Zeit noch auf dem OP-Tisch. Da kommt es auf jede Minute an, denn der Eingriff kann erst ausgeweitet oder beendet werden, wenn die Ergebnisse aus unserem Labor telefonisch durchgegeben worden sind. Daran hängt oft das weitere therapeutische Prozedere.
Pathologen tragen demnach eine hohe Verantwortung?
Ja, denn unsere Befunde sind wesentliche Entscheidungsgrundlagen für die Wahl der weiteren Behandlungsschritte. Ein Beispiel: Eine Gewebeprobe kommt gerade aus dem OP. Wir untersuchen die gewonnene Gewebeprobe nach entsprechender Vorbereitung unter dem Mikroskop. Die von uns innerhalb weniger Minuten gestellte Diagnose – gutartiges oder bösartiges Gewebe – geht dann schnell an den Operateur, der daraus direkte Konsequenzen für den weiteren Operationsverlauf ziehen kann. Zusätzlich werden alle Operationspräparate später aufgearbeitet. Insbesondere bei Krebsoperationen gibt der Pathologe darüber Auskunft, ob der Tumor komplett entfernt wurde, um welchen Tumortyp es sich handelt und ob sich in den zugehörigen Lymphknoten Metastasen nachweisen lassen. Damit erhält der behandelnde Arzt eine wichtige Entscheidungshilfe für die weitere Therapie. Sie haben sich zusätzlich auf die gastroenterologische Pathologie spezialisiert.
Was ist das und warum gerade dieses Spezialgebiet?
Bedingt durch meine Facharztausbildung bei Herrn Prof. Stolte im Institut für Pathologie am Klinikum Bayreuth habe ich schon früh in meiner Ausbildung begonnen, zahlreiche Proben aus dem Gastrointestinaltrakt zu untersuchen. Die Gastroenterologie ist ein Teilgebiet der Inneren Medizin und befasst sich mit der Diagnostik, der Therapie und der Prävention von Erkrankungen des gesamten Magen-Darm-Traktes und der Leber, den Gallenwegen, der Bauchspeicheldrüse und mit Stoffwechselerkrankungen.
Gastroenterologen entnehmen im Rahmen Ihrer Untersuchungen – etwa Gastroskopie, Koloskopie, ERCP-Untersuchungen oder anderen Verfahren – kleine Proben, sogenannte Zangenbiopsien, oder entfernen ganze Polypen bzw. Schleimhautareale. Diese Präparate werden von mir untersucht. Dabei muss man nicht nur entscheiden, ob es sich um eine gut- oder bösartige Veränderung handelt, sondern ob hier eine chronische Erkrankung vorliegt, die regelmäßig kontrolliert und entsprechend therapiert werden muss. Darunter fallen beispielsweise die Refluxkrankheit, HP-Gastritis, Spure, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Divertikulitis oder bakterielle Infektionen. Die von den gastroenterologisch tätigen Kollegen entfernten, größeren Gewebsstücke können Frühformen von Krebs und Krebsvorläuferläsionen enthalten, deren frühzeitige Entfernung die Entwicklung von fortgeschrittenen Krebsformen verhindern kann. Dieses Vorgehen spielt eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der krebsverursachten Sterblichkeit.
Wo sehen Sie die Zukunft in der Pathologie Böblingen und was sind die nächsten Schritte?
Eine wichtige, bereits im pathologischen Alltag integrierte diagnostische Entwicklung in der Pathologie ist der molekularpathologische Teil der Untersuchungen, mit dessen Auf- und Ausbau in Böblingen ich mich ganz besonders intensiv beschäftigen möchte. Diesbezüglich bekomme ich seitens der Klinikleitung große Unterstützung für die notwendige apparative, technische und personelle Aufstockung. Die Typisierung verschiedenster Tumoren nach ihren molekularpathologischen Eigenschaften spielt in zunehmender Weise eine wichtige onkologisch-therapeutische Rolle. Immer mehr molekulare Marker beeinflussen das Überleben unserer onkologischen Patienten.