Alle Maßnahmen im intensivmedizinischen Bereich haben in der Regel weitreichende Konsequenzen für den Patienten – insbesondere im Fall eines Behandlungsfehlers. Der Anästhesie und Intensivmedizin wird hierbei ein hohes Maß an Verantwortung zuteil. Die immer vielfältiger werdenden medikamentösen und technischen Behandlungsmöglichkeiten erfordern auch eine stets intensiver werdende Kontrolle und Beobachtung durch medizinische und pflegerische Mitarbeiter aus unterschiedlichen Funktionsbereichen. Die Versorgung der Patienten rund um die Uhr an jedem Tag und die damit einhergehende Menge an Informationen macht eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit einer klaren Dokumentation und reibungslos ablaufenden Prozessen unabdingbar. Ein professionelles Qualitätsmanagement in der Intensivmedizin rückt daher zunehmend in den Fokus. Gemäß der in der 2009 beschlossenen Erklärung zur Patientensicherheit auf dem europäischen Kongress der European Society of Intensive Care Medicine soll ein kontinuierliches Qualitätsmanagement aktiv in die Arbeit der Intensivmedizin integriert werden. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg bietet allen Kliniken hierfür auf freiwilliger Basis externe Peer Reviews an, mittels derer die Stärken und Schwächen sowie die Chancen und Risiken in Struktur und Prozessen analysiert werden. Die Peer Reviews orientieren sich dabei an den Vorgaben und Richtlinien der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).
„Um dem Patienten die beste prozessuale und strukturelle Qualität zukommen zu lassen, erschien es uns notwendig, das schnelle und effektive Instrument der Peer Reviews, wie sie die Landesärztekammer Baden-Württemberg anbietet, zu nutzen. Damit wollten wir die eigenen Stärken und Schwächen erkennen und unmittelbar und im direkten Austausch mit den Peers Lösungen erarbeiten, um uns weiterzuentwickeln.“, erläutert Dr. Andreas Ostermeier, MHBA Chefarzt des Zentrums für Anästhesie und Intensivmedizin Böblingen-Herrenberg, seine Motivation für die freiwillige Teilnahme der Intensivstation Böblingen an diesem Evaluationsprogramm. Ein Peer ist dabei ein partnerschaftlicher Kollege – also ein Arzt oder eine Pflegekraft mit Leitungserfahrung in der Intensivmedizin – die die Landesärztekammer für die Bewertung der jeweiligen Station auswählt. Anders als bei Audits oder vorgeschriebenen Kontrollen profitieren bei diesen freiwilligen Peer Reviews, sowohl die bewertenden Peers als auch die zu bewertende Klinik von gegenseitigem Lernen und Erfahrungsaustausch. „In einer mehrmonatigen interdisziplinären Vorbereitungsphase haben wir im Team zunächst eine Selbsteinschätzung anhand definierter Kriterien des 52-Fragenkataloges der DIVI vorgenommen. So konnten wir bereits vorab unsere Prozesse detailliert analysieren und hinterfragen.“, beschreibt Ostermeier das Verfahren des Peer Reviews. „Anschließend fand ein ganztägiges Review bei uns vor Ort auf Station statt, an dem drei erfahrene Intensivmediziner aus Neurologie, Kardiologie und Anästhesie, drei Intensiv-Pflegekräfte sowie die leitende Ärztin der Qualitätssicherung der Landesärztekammer Baden-Württemberg teilnahmen. Hier konnten wir sowohl bei der Visitenbegleitung und Stationsbegehung als auch in der Besprechung des Fragebogens, der Prozessbeschreibungen und Dokumentationsvorgaben in den direkten und kritischen Austausch gehen und so konstruktiv und unmittelbar Optimierungspotential ermitteln und Lösungen skizzieren.“ Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Kriterien, wie der grundsätzlichen Organisation der Intensivstation, den Personalprozessen, wie z.B. Einarbeitungskonzepte neuer Mitarbeiter, dem Umgang mit Patienten und Angehörigen, den medizinischen Prozessen und dem Controlling und Reporting.
Ergebnis des Reviews ist am Ende eine SWOT-Analyse, die die Stärken und Schwächen mit den Chancen und Risiken aller betrachteten Bereiche aufzeigt. Dr. Andreas Ostermeier mit seinem Team erzielte dabei ein hervorragendes Ergebnis. In der abschließenden Bewertung des Peer Review heißt es: „Es handelt sich um eine sowohl in Struktur- als auch in Prozessqualität exzellent konzipierte als auch geführte interdisziplinäre Intensivstation. Sowohl die Dokumentation als auch die umfangreich vorgehaltenen SOPs (Standard Operation Procedures; dt. Standardvorgehensweisen) entsprechen dem Ideal der modernen Intensivmedizin. Es besteht ein sehr gutes interdisziplinäres und interprofessionelles Zusammenarbeiten auf allen Ebenen.“ Besonders hervorgehoben wurde von den Peers nicht nur die hervorragende Zusammenarbeit mit der Abteilung für Mikrobiologie, sondern auch das Einarbeitungskonzept des Pflegepersonals auf der Station, welches als „hervorragend strukturiert und umgesetzt“ bewertet wurde. Dr. Ostermeier ist mit dem Ergebnis der Evaluation mehr als zufrieden: „Dieses erfreuliche Ergebnis ist natürlich der langjährigen interdisziplinären Zusammenarbeit und den Anstrengungen aller ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter zu verdanken – allen voran aber Herrn Volker Held, Leitung Anästhesie und Intensivpflege, und Herrn Dr. Philipp Kunz, Leitender Oberarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin in Böblingen. Wir werden das motivierende Ergebnis nutzen, uns und unsere Abläufe weiter zu verbessern und so unseren Patientinnen und Patienten eine zuverlässig gute Qualität unserer medizinischen Versorgung bieten zu können.“