Aus dem Klinikverbund Südwest

Klinikverbund Südwest stellt die Weichen für die Zukunft der medizinischen Versorgung in der Region

21.11.2023

Aufsichtsratsvorsitzender Landrat Roland Bernhard, Geschäftsführer Alexander Schmidtke und stv. Aufsichtsratsvorsitzender Landrat Helmut Riegger

Der Aufsichtsrat der Klinikverbund Südwest GmbH hat in seiner Sitzung vom 15.11.2023 die Medizinkonzeption 2030 verabschiedet; das letzte Wort haben die beiden Kreistage der Trägerlandkreise Böblingen und Calw. Die Beschlussfassung soll dort noch in diesem Jahr erfolgen.

„Dies ist eine wegweisende Entscheidung für eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung der Menschen in unserer Region. Schwierige Rahmenbedingungen haben uns zum Handeln gezwungen; ohne unser aktives Tun droht die Privatisierung“, so der Böblinger Landrat und Aufsichtsratsvorsitzende des KVSW Roland Bernhard. „Die Vernetzung der Standorte untereinander sowie Konzentration und Spezialisierung sind die Basis dafür, den Klinikverbund zukunftsfähig aufzustellen.“ Dankbar sei er für den breiten Einbindungsprozess, den man in den vergangenen Wochen und Monaten durchlaufen habe. „Wir haben daraus sehr gute Anregungen gewonnen und ich bin zuversichtlich, dass wir für alle Standorte eine gute, tragfähige und zukunftssichere Lösung erarbeitet haben“, so Bernhard weiter. „Letztlich werden die beiden Kreistage entscheiden. Es ist das gemeinsame Ziel, die Fortschreibung der Medizinkonzeption noch in diesem Jahr zu beschließen.

„Die neue Medizinkonzeption ist ein wichtiger und notwendiger Schritt, um die Krankenhausversorgung im gesamten Landkreis Calw langfristig sicherzustellen. Wir haben für unsere Bürgerinnen und Bürger einen medizinischen Versorgungsauftrag, welchen wir durch dieses Konzept auch in Zukunft vollumfänglich 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr gewährleisten können. Die vielen Verhandlungen und Gespräche haben sich verbundweit bewährt“, erklärt Landrat Riegger.

„Ich bin dankbar, dass der Aufsichtsrat diese mutige Entscheidung getroffen hat. Nun hoffe ich, dass auch die Kreistage im Dezember diesem Beschlussantrag zustimmen, damit für die Mitarbeitenden endlich die zurecht erwartete Klarheit besteht und wir in die Umsetzung gehen können. Denn im Klinikverbund herrscht wie im gesamten deutschen Krankenhauswesen weiterhin Alarmstufe rot. Aus fachlicher Sicht gibt es keine Alternative zur Konzentration und Spezialisierung der medizinischen Leistungen im Verbund. Nur so können wir angesichts des Personalmangels und der zunehmenden Qualitäts- und Mengenanforderungen auch in Zukunft eine hochwertige medizinische Versorgung garantieren. Zudem wird uns die Medizinkonzeption helfen, den Klinikverbund auch wirtschaftlich auf solide Beine zu stellen und die finanzielle Belastung für unsere Träger und damit die Öffentlichkeit zu reduzieren“, sagt Alexander Schmidtke, Geschäftsführer des Klinikverbunds Südwest.

Der Klinikverbund Südwest (KVSW) ist eine der größten Gesundheitseinrichtungen in Süddeutschland. Mit seinen Krankenhäusern und medizinischen Versorgungszentren sowie rund 6.000 Mitarbeitenden sichert der Verbund die medizinische Versorgung für mehr als eine halbe Million Menschen in der Region. Ziel der Medizinkonzeption 2030 ist es, den KVSW angesichts der gravierenden Veränderungen im deutschen Krankenhauswesen zukunftsfähig aufzustellen und als starken medizinischen Versorger und Arbeitgeber in öffentlicher Trägerschaft langfristig zu erhalten. Dabei stehen die Anforderungen an die Versorgungs- und Patientensicherheit sowie die bestmögliche Qualität in der medizinischen Leistungserbringung an erster Stelle.

Es wird zunehmend schwieriger, ausreichend Personal vorzuhalten und die gesetzlichen Anforderungen an die Leistungsmenge zu erfüllen. Konzentration und Spezialisierung sowie der Abbau von Doppelstrukturen sind notwendig, um die medizinische Versorgung künftig in hoher Qualität und wirtschaftlich zu betreiben. Diese Überlegungen spielen auch eine zentrale Rolle in den laufenden Überlegungen zur bundesweiten Krankenhausreform und stehen folgerichtig im Zentrum der Medizinkonzeption 2030 mit den folgenden übergeordneten Eckpunkten:

  1. Die Gynäkologie und Geburtshilfe wird in einem zukunftsfähigen Konzept im Flugfeldklinikum und am Standort Nagold konzentriert.
     
  2. Im gesamten Verbund wird ein übergreifendes Geriatriekonzept mit zusätzlichen Schwerpunkten in Leonberg und Calw aufgebaut.
     
  3. Die Leistungen der interventionellen Kardiologie Calw werden zunächst in Calw verbleiben, solange eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen erfolgt; danach werden diese Leistungen nach Nagold verlagert.
     
  4. Die Neurologie wird aufgrund der baulichen Situation des Standortes Nagold in den kommenden Jahren zunächst in Calw verbleiben und erst nach Schaffung der baulichen Voraussetzung nach Nagold verlagert.
     
  5. Der Standort Calw wird zu einem Grund- und Regelversorger mit 166 Betten in den Bereichen Orthopädie und Unfallchirurgie, Allgemeine Innere Medizin und den Schwerpunkten Geriatrie und Alterstraumatologie weiterentwickelt.
     
  6. Der Standort Flugfeldklinikum wird zum Maximalversorger mit 710 Betten ausgebaut. Ziel ist, ein Neuro-Zentrum mit Neurochirurgie aufzubauen und eine Neuroradiologie einzurichten.
     
  7. Der Standort Herrenberg wird zu einem modernen und zukunftsweisenden integrierten Gesundheitszentrum mit den notwendigen Leitungsstrukturen und insgesamt 120 Betten umgebaut.

Die Medizinkonzeption wurde seit Veröffentlichung des dafür in Auftrag gegebenen Fachgutachtens im Juli in einem umfangreichen Dialog- und Einbindungsprozess weiterentwickelt und präzisiert. Unter anderem wurden über 50 Einzelgespräche mit Fachexperten, Organisationen, Verbänden und Interessensvertretern geführt, und über 600 Fragen sowie über 30 schriftliche Stellungnahmen geprüft, beantwortet und Ideen und Anregungen aufgenommen. Übergeordnetes Ziel dieses umfangreichen Einbindungsprozesses war es, konstruktive Anregungen und Beiträge zur Weiterentwicklung des Zielbildes aus dem Gutachten zu erhalten, um am Ende das bestmögliche Ergebnis für die Zukunft der klinischen Gesundheitsversorgung für die Region zu erreichen. Der Prozess hat bestätigt, dass die grundlegenden Eckpunkte der Medizinkonzeption 2030 richtig und zielführend sind, um den Klinikverbund Südwest zukunftsfähig aufzustellen und allen Standorten eine langfristige Zukunftsperspektive zu geben. Darüber hinaus konnten wertvolle Ergänzungen und Präzisierungen für die Konzeption erarbeitet werden.

„Ich bin den Interessenvertretern und Kooperationspartnern sehr dankbar für ihre konstruktiven Beiträge im Dialog- und Einbindungsprozess. Wir haben jetzt ein Konzept, das berechtigte und nachvollziehbare Interessen berücksichtigt und doch weiterhin den im Fachgutachten unmissverständlich geforderten Schwerpunkten gerecht wird“, erklärt Landrat Bernhard.

Mit der jetzt vom Aufsichtsrat verabschiedeten Medizinkonzeption 2030 setzt der Klinikverbund Südwest klare Leistungsschwerpunkte an allen Standorten, die aufeinander abgestimmt und eng miteinander verzahnt werden. Im Detail sieht das Konzept folgende Schwerpunkte und Veränderungen an den einzelnen Standorten vor:

Nagold wird zum umfassenden Schwerpunktversorger ausgebaut

Gemäß dem vorgestellten Zielbild im Fachgutachten werden die Kliniken Nagold zum umfassenden Schwerpunktversorger im KVSW mit 292 Betten und einer Erweiterten Notfallversorgung 24/7 weiterentwickelt. Dazu wird die Innere Medizin mit den Schwerpunkten der Kardiologie und Gastroenterologie und onkologischer Kompetenz gestärkt und das chirurgische Leistungsspektrum mit Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie sowie Urologie ausgebaut.

Zudem wird das Leistungsportfolio zukünftig durch den Fachbereich der Gynäkologie und Geburtshilfe erweitert. Die derzeitigen gynäkologischen und geburtshilflichen Abteilungen aus Herrenberg und Calw werden dazu verlagert und am Standort Nagold konzentriert. Dort wird dann auch die Zertifizierung zum Babyfreundlichen Krankenhaus angestrebt sowie das erfolgreiche Konzept des Hebammengeführten Kreißsaals etabliert. Der Umzug erfolgt, sobald die baulichen Voraussetzungen dafür im Rahmen der Generalsanierung am Standort Nagold geschaffen sind.

Der Standort Calw als starker Grund- und Regelversorger mit 24/7 Notfallversorgung eingebettet in einen zukunftsweisenden Gesundheitscampus

Der Standort Calw bleibt als starker Grund- und Regelversorger mit 166 Betten als wesentlicher Teil des zukunftsweisenden Gesundheitscampus Calw mit einer Basisnotfallversorgung rund um die Uhr erhalten. Die Schwerpunkte des Hauses werden zukünftig in den Bereichen der Orthopädie und Unfallchirurgie, der Allgemeinen Inneren Medizin sowie der Altersmedizin und Alterstraumatologie liegen. Die Schnittstellen zu diesen Leistungsbereichen, insbesondere die Rheumatologie und Schmerztherapie werden weiter gestärkt. Zudem erhält das Haus durch den zukunftsrelevanten Baustein der Altersmedizin als eigenständige Fachabteilung eine deutliche Aufwertung.

Die Neurologie inklusive der Schlaganfallversorgung über die Stroke Unit, wird zunächst in Calw verbleiben. Wenn die baulichen Voraussetzungen am Standort Nagold geschaffen sind, wird die Neurologie nach Nagold umziehen.

Die Gynäkologie und Geburtshilfe aus Calw wird mit der Fachabteilung aus Herrenberg zusammengeführt und an den Standort Nagold verlagert.

Herrenberg als modernes integriertes Gesundheitszentrum mit zentralen Schlüsselleistungen für den gesamten Verbund

Der Standort Herrenberg wird voraussichtlich ab Mitte 2025 zu einem modernen und zukunftsweisenden integrierten Gesundheitszentrum mit 120 Betten umgebaut. Obwohl der Standort ingesamt am stärksten von den notwendigen Veränderungen betroffen ist, sind im Dialog- und Einbindungsprozess mit den verschiedenen Interessensvertretern in Herrenberg wichtige Weiterentwicklungen und zusätzliche Bausteine erarbeitet worden, welche die Gesamtkonzeption abrunden und für den Standort eine zukunftsfähige Perspektive bereithalten. In Herrenberg werden künftig 40 stationäre Betten für die medizinische Basisversorgung der Bereiche der Chirurgie und Inneren Medizin vorgehalten. Zudem bleibt die Palliativmedizin am Standort erhalten und wird von heute 6 auf zukünftig 20 Betten ausgebaut, die dann schwerpunktmäßig in Herrenberg den Versorgungsbedarf für den Gesamtverbund decken. Auch der geriatrische Schwerpunkt bleibt in Form einer stationären geriatrischen Rehabilitation mit 30 Betten erhalten. Weitere 30 Betten stehen für die medizinnahe Kurzzeitpflege zur Verfügung. Darüber hinaus soll zentral für den Gesamtverbund ein modernes und professionelles ambulantes OP-Zentrum entstehen.

Das Medizinische Versorgungszentrum mit seinem starken ambulanten Angebot wird um weitere Leistungsbausteine ergänzt, z.B. in der Allgemeinmedizin sowie der Kinder- und Jugendmedizin. Auch eine ambulante Hebammenpraxis soll am Standort etabliert werden.

Um auch künftig eine 24/7 Anlaufstelle für Notfälle anzubieten, wird eine rund um die Uhr besetzte Notfallaufnahme (außerhalb des gestuften Systems von Notfallstrukturen des G-BA) mit notwendigem ärztlichen und medizinischen Fachpersonal etabliert. Ziel ist der Erhalt der KV-Notfallpraxis mit ausgeweiteten Betriebszeiten.

Leonberg als starker Akutversorger mit 24/7 Notaufnahme für das nördliche Einzugsgebiet des Verbundes

Der Standort Leonberg wird zu einem breit aufgestellten Grund- und Regelversorger mit 195 Betten mit den Schwerpunkten in der Inneren Medizin, vor allem in der Gastroenterologie mit Onkologie, der Allgemein- und Viszeralchirurgie, der Unfallchirurgie, sowie neuen Schwerpunkten in der Allgemeinen Inneren Medizin mit Altersmedizin und Alterstraumatologie weiterentwickelt. Auch eine kardiologische Basisversorgung wird weiterhin am Standort bestehen bleiben; der Anteil der Interventionen (z.B. Herzkatheter) wird langfristig nach Sindelfingen verlagert.

Die Gynäkologie und Geburtshilfe in Leonberg soll voraussichtlich ab 2028 nach Inbetriebnahme des Flugfeldklinikums an dieses verlagert werden. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt das gynäkologische und geburtshilfliche Angebot inklusive des Hebammengeführten Kreißsaals am Standort erhalten.

Das Flugfeldklinikum verschafft dem Verbund als künftigem Maximalversorger überregionale Relevanz

Um im direkten Wettbewerbsumfeld zu Stuttgart oder Tübingen als überregionaler Versorger bestehen zu können und damit die Ausdifferenzierung der Versorgungsstufen vollständig abzudecken, wird das Flugfeldklinikum zu einem umfassenden Maximalversorger ausgebaut. Hierzu wird sich der Verbund vor allem auf die Etablierung der zusätzlichen Fachgebiete in der Neurochirurgie und dazugehörig der Neuroradiologie bemühen. Das so entstehende Neuro-Zentrum ermöglicht zukünftig die interventionelle Schlaganfallversorgung, genauso wie die Wirbelsäulenchirurgie.

 

Vorbehaltlich der finalen Beschlussfassung der Kreistage in Böblingen und Calw noch im Dezember dieses Jahres, folgt nun die weitere Detaillierung und konkrete Umsetzungsplanung für die Medizinkonzeption im KVSW. Dazu gehören sowohl die Überarbeitung der baulichen Zielplanungen für die einzelnen Kliniken, wie auch die betriebliche Umsetzungsplanung und personelle Detailkonzeption. Um die Planungen des Klinikverbundes in den Landeskrankenhausplan in Baden-Württemberg einzubringen, wird der Verbund die entsprechenden Gespräche und Verhandlungen mit dem Sozialministerium aufnehmen.