Aus dem Klinikverbund Südwest

Myome – unentdeckt und gefährlich?

01.08.2018

Dr. Ines Vogel, Leiterin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Herrenberg erklärt im Interview, was Myome sind, ob sie gefährlich sind und was man dagegen tun kann.

Etwa jede vierte Frau zwischen 35 und 55 Jahren ist davon betroffen: Myome, gutartige Geschwülste in der Gebärmutter. Oft bleiben sie jedoch unentdeckt und zeigen keine Symptome.

Dr. Ines Vogel, Leiterin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Herrenberg erklärt im Interview, was Myome sind, ob sie gefährlich sind und was man dagegen tun kann.

Frau Dr. Vogel, was steckt hinter den Wucherungen in der Gebärmutter?
Myome sind zu 99 Prozent gutartige rundliche Geschwülste, die aus Gebärmuttermuskulatur und Bindegewebe bestehen. Sie können direkt in der Gebärmutterwand sitzen oder durch einen Stiel mit ihr verbunden sein. Sie treten als einzelner Knoten oder auch mehrfach in der Muskelschicht der Gebärmutterwand auf. Östrogene regen das Wachstum von Myomen an, weshalb sie nur während der Geschlechtsreife wachsen. Etwa jede vierte Frau zwischen 35 und 55 Jahren ist europaweit betroffen, bei rund einem Viertel bleiben sie jedoch unentdeckt, da keine Symptome auftreten. Die Diagnose erfolgt dann meist im Rahmen der routinemäßigen Kontrolluntersuchung durch den Gynäkologen.

Wann muss ich handeln?
Wenn Myome keine Beschwerden auslösen, müssen sie nicht behandelt werden. Wenn sie allerdings schnell wachsen und zu Schmerzen oder anderen Symptomen führen, sollte über eine Behandlung nachgedacht werden. Deutliche Zeichen für Handlungsbedarf sind schmerzhafte Unterleibsbeschwerden, eine starke und verlängerte Regelblutung und häufige Zwischenblutungen außerhalb des normalen Zyklus. Als Folge einer verstärkten Blutung kann es in manchen Fällen zu einer Blutarmut (Anämie) kommen. Ob Myome überhaupt zu Beschwerden führen, hängt von der Größe und Lage in der Gebärmutter ab. Große Myome können auf Nachbarorgane drücken oder diese sogar verdrängen. Durch einen Druck auf die Harnblase kann es beispielsweise zu Symptomen wie einem vermehrten Harndrang kommen.

Wie werden Myome entdeckt?
Normalerweise wird die Diagnose von Myomen bei der gynäkologischen Routineuntersuchung gestellt. Ein ausführliches Anamnesegespräch kann bereits Hinweis auf ein möglicherweise vorliegendes Myom ergeben. Gezielte Angaben zur Regelblutung und das Auftreten von Unterbauchschmerzen können helfen, den Befund zu klären. Eine Ultraschalluntersuchung der Gebärmutter gibt im Anschluss daran Klarheit. Myome können mit dieser Untersuchung gut dargestellt werden. Auch Lage und Größe können ermittelt werden. Andere bildgebende Verfahren wie z .B. eine Computertomografie oder eine Magnetresonanztomografie sind manchmal ergänzend vor einer geplanten Operation notwendig.

Kann medikamentös behandelt werden?
Ja, um das Wachstum von Myomen zu bremsen und sie zu verkleinern, kann mit Medikamenten in diesen Mechanismus eingegriffen werden. Das geschieht beispielsweise mit einer Hormonspirale, die kontinuierlich Gestagene abgibt. Oder mit sogenannten GnRH-Agonisten, die die Östrogenproduktion drosseln und dem Körper vortäuschen, in den Wechseljahren zu sein. Ebenso können Tabletten mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat (UPA) verschrieben werden, die die wachstumsfördernde Wirkung des Hormons Progesteron unterbindet. Dieses Medikament sollte allerdings nur unter strenger ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden.

Gibt es weitere, nicht-operative Therapien? 
Dank modernster Methoden kann manchen Patientinnen ohne Operation geholfen werden. Bei der ersten Therapie, die mit fokussiertem Ultraschall (MR-HIFU) arbeitet, wird ein zielgerichteter Ultraschallimpuls genau auf das Myom gerichtet. Seine Hitze zerstört das Myomgewebe. Diese Behandlungsmethode ist nicht-invasiv, d.h. es erfolgt kein operativer Eingriff mit Hautschnitt. Die Behandlung erfolgt ambulant und ist für einzelne Myome geeignet. Sie wird nur in ausgewählten Behandlungszentren durchgeführt und erfordert eine hochspezialisierte MRT-Ausstattung. Die zweite Therapie ist die Myomembolisation. Hier wird mit einem gezielten Gefäßverschluss das Wachstum der Myome gestoppt, bringt sie zum Schrumpfen und führt durch die Erweichung des verödeten Myomgewebes zur Verkleinerung der Myome. Der Eingriff wird minimalinvasiv durchgeführt: Durch ein Blutgefäß am Bein wird ein Katheter an das Myom herangeschwemmt und die Embolisationskügelchen eingespritzt.

Und wenn doch zum Skalpell gegriffen werden muss?
Dann gibt es zwei Gebärmutter erhaltende, operative Behandlungen. Als sogenannte „Myomenukleation“ wird generell die Entfernung eines Myoms unter Erhaltung der Gebärmutter verstanden. Bei einem minimalinvasiven Eingriff wird durch den Bauchnabel ein sogenanntes Laparoskop, verbunden mit einem Kamerasystem, geführt. Mit zwei bis drei zusätzlichen Instrumenten können die Myome dann aus der Gebärmutter herausgelöst und entfernt werden. Bei der sogenannten „hysteroskopischen Resektion“ erfolgt die Entfernung der Myome im Rahmen einer Gebärmutterspiegelung von unten. Diese ebenfalls minimalinvasive Myomentfernung ist ein chirurgisches Verfahren, bei dem ein oder mehrere Myome mit einer dünnen elektrischen Schlinge schichtweise abgetragen werden. Auch hier bleiben Gebärmutter und Fruchtbarkeit erhalten.

Als letzter Ausweg bleibt aber in manchen Fällen nur die Gebärmutterentfernung?
Als Ultima Ratio, ja. Starke Beschwerden durch Myome können Gründe für die Entscheidung zur Hysterektomie, der Gebärmutterentfernung sein. Ausschlaggebend sind Größe, Anzahl und Lage der Myome. Die Gebärmutterentfernung ist ein operatives Verfahren, bei dem der Gebärmutterkörper oder die vollständige Gebärmutter mit den Myomen entfernt wird. Diese Behandlungsmethode setzten wir nur unter gewissen Voraussetzungen ein, legen dann aber Wert darauf, auch hier minimalinvasiv vorzugehen. Manche Frauen stehen unter einem so hohen Leidensdruck, dass sie ihre Beschwerden einfach noch nur loswerden wollen. Vor allem sehr starke Blutungen, die auf die nicht-operativen Behandlungen nicht ansprechen, können ein Grund für die Operation sein. Allerdings setzt die vollständige Entfernung der Gebärmutter voraus, dass bei der Patientin kein Kinderwunsch mehr besteht und ihre Familienplanung abgeschlossen ist. Am schonendsten sind Operationen, bei denen die Gebärmutter durch die Scheide oder durch eine Bauchspiegelung entfernt wird. Der Bauchschnitt ist die ungünstigste Lösung und sollte heute nur noch Ausnahmefällen vorbehalten sein.