Aus dem Klinikverbund Südwest

Neues Zentrum für Hämatologische Neoplasien an den Kliniken Sindelfingen

09.12.2021
Bild: Gesprächssituation

Die Klinik für Hämatologie / Onkologie wurde durch OnkoZert mit der Zertifizierung ausgezeichnet.

Die Medizinische Klinik I – Hämatologie und Onkologie am Klinikum Sindelfingen-Böblingen unter der Leitung von Priv.-Doz. Dr. Markus Ritter ist schon seit über einem Jahrzehnt Schwerpunktklinik im Sinne der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. für das gesamte Spektrum der Erkrankungen des Blutes (Hämatologie) und der Tumorerkrankungen. Das umfasst die Behandlung von Leukämien und Lymphomen ebenso wie alle bösartigen Geschwulsterkrankungen. Da Blut jedoch nicht als Organ begriffen wurde, war eine Zertifizierung nach den Regeln der Deutschen Krebsgesellschaft nicht möglich; diese zertifiziert ausschließlich Organzentren. Das hat sich nun geändert, Blut wird inzwischen häufig als flüssiges Organ begriffen. Nach coronabedingter Verzögerung ließ sich nun die Sindelfinger Hämatologie nach den Richtlinien der DKG als Organzentrum zertifizieren und hat somit den Qualitätsnachweis.

Da Blut jedoch kein herkömmliches Organ ist, räumlich klar abgetrennt, wie das beispielsweise Leber oder Niere sind, erfordert die Behandlung eine besondere Herangehensweise, chirurgische Möglichkeiten sind von vorneherein naturgemäß ausgeschlossen.

Unser Blut besteht aus roten Blutkörperchen, den sogenannten Erythrozyten, aus Blutplättchen, genannt Thrombozyten, aus weißen Blutkörperchen, medizinisch Leukozyten, sowie aus Blutplasma. Allerdings spalten sich die einzelnen Zellgruppen in eine Vielzahl von Untergruppen auf. Jede kann für sich Krebs entwickeln. Unter Hämatologischen Neoplasien werden daher sehr heterogene bösartige wie gutartige Erkrankungen des Blutes bzw. des Blutbildenden Systems erfasst, sofern sie erworben, also nicht genetisch bedingt sind. Dazu gehören Lymphome, Leukämien, Myelodysplastische Syndrome und vieles mehr. Beispielsweise weiß man von 85 verschiedenen Lymphomen (Lymphdrüsenkrebs), für die es sehr vielfältige Behandlungspfade gibt und auch geben muss – ein Beispiel für die Komplexität unseres Blut- und Immunsystems.

Zwei bis drei Menschen von 100.000 erkranken an einer hämatologischen Neoplasie. Das erscheint wenig. Doch kommt der Hämatologie bei der Behandlung von Blutkrebs eine Art Vorreiterrolle zu. Denn anders als bei Krebserkrankungen an Organen wie Darm, Prostata, Brust oder Lunge, kann der Krebs nicht durch eine Operation beseitigt werden, es müssen sogenannt konservative Behandlungsmethoden entwickelt werden, die hochkompliziert sind. Doch der Erfolg ist beeindruckend: War früher die chronische Leukämieerkrankung beispielsweise innerhalb von drei Jahren tödlich, haben Patienten heute eine Lebensperspektive von weiteren zehn oder mehr Jahren, speziell bei der chronischen myeloischen Leukämie kann sogar eine normale Lebenserwartung erreicht werden. Bei Organkrebsarten gilt: Werden konservative und invasive Behandlungsmethoden kombiniert, vergrößern sich die Chancen, den Krebs erfolgreich zurückzudrängen, deutlich.

 

Teil des großen Krebszentrums

Von diesem Können der Hämatologie profitieren auch die anderen Fachdisziplinen. Wurde der Patient früher dort behandelt, wo er als erstes hinkam, weiß man heute die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu schätzen, weil das Fachwissen vieler Disziplinen miteinander verknüpft wird. Priv.-Doz. Dr. Markus Ritter, Chefarzt der Hämatologie in Sindelfingen und Leiter des Zentrums beschreibt das: „Entschied früher der behandelnde Arzt allein über die Form der Therapie, kommt heute ein in der Regel zehnköpfiger Expertenkreis zusammen und bespricht in einem solchen interdisziplinären Tumorboard jeden einzelnen Patienten. Alter, körperliche Verfassung, die Ausbreitung der Erkrankung, mögliche Nebenerkrankungen – alles wird berücksichtigt. Der behandelnde Arzt stellt seinen Patienten vor und die Experten diskutieren die richtigen Schritte zur Therapie, halten das schriftlich fest und geben eine Empfehlung ab, die mit dem Patienten besprochen wird. Das ist deshalb so wichtig, weil jeder Mensch einzigartig ist, und auch jeder Tumor. Das heißt konsequenterweise: Jeder Patient braucht seine individuelle Therapie und einen eigenen Wirkstoff-Cocktail gegen seinen Krebs, einen Schlüssel zu seiner eigenen Tumor-DNA.“

Die Behandlung in einem zertifizierten onkologischen Zentrum stellt deshalb eine Optimierung der Behandlungsqualität dar. Das Klinikum Sindelfingen-Böblingen verfügt über ein großes Onkologisches Krebszentrum unter der Leitung von Dr. Ritter. Es umfasst das Viszeral-onkologische Zentrum, das Brustkrebszentrum sowie das Gynäkologische Krebszentrum an den Kliniken Böblingen und das Prostatakarzinomzentrum, das Hoden-/Peniskarzinomzentrum sowie nun eben das Zentrum für Hämatologische Neoplasien an den Kliniken Sindelfingen.