Aus dem Klinikverbund Südwest

Sanft und sicher gebettet

06.08.2018

Die Matratze im Einsatz – Feuerwehr und Pflegekraft bei einer Evakuierungsübung in der Klinik.

Innovatives Evakuierungskonzept für Kliniken im Brandfall

Brandmeldeanlagen, Lösch- und Rauchschutzeinrichtungen, Brandschutztüren oder feuerhemmende Baustoffe – die Liste der Maßnahmen, mit denen in der heutigen Zeit Brände verhindert oder zumindest frühzeitig entdeckt und eingedämmt werden sollen ist lang. Und dennoch: Feuer kosten jedes Jahr in Europa noch immer rund 4.000 Menschen das Leben, über 70.000 werden zudem verletzt und landen in Krankenhäusern. Was aber, wenn es genau dort brennt?

In Kliniken ist oftmals ein Großteil der Patienten nicht gehfähig und im Falle einer Evakuierung zwingend auf fremde Hilfe angewiesen. Wenn die Aufzüge im Brandfall außer Betrieb sind, bleiben nur noch die Treppenhäuser als Fluchtwege, für kranke, immobile und geschwächte Menschen ein unüberwindbares Hindernis. Das bedeutet, dass für den Liegend-Transport eines Patienten mindestens zwei Einsatzkräfte bei einer Krankentrage oder vier beim Einsatz eines Rettungstuches notwendig sind. Bei Kliniken mit 500, 600 oder 700 Betten kann man sich leicht ausmalen, wie hoch der Personal- und Zeiteinsatz wäre. Neben der oftmals im Notfall fehlenden Mann-, oder im Hinblick auf die mehrheitlich weiblichen Pflegekräfte, Frauenpower, scheuen viele Krankenhäuser generell den Einsatz sogenannter Evakuierungsbezüge aus Hygiene- bzw. Kostengründen. Um im Notfall schnell verfügbar zu sein, müssten diese Tücher tagtäglich unter den Patienten platziert sein. Mit dem stetig steigenden ambulanten Patientenaufkommen und den immer kürzeren Liegezeiten müssen derartige Rettungsbezüge mit den angenähten Haltegriffen hunderte Male auf-, abgezogen und gewaschen werden: der Verschleiß ist vorprogrammiert, vom Mehraufwand in der Bettenaufbereitung gar nicht zu reden. Hinzu kommt, dass es nicht sonderlich angenehm für frisch operierte Patienten ist, im Hängemattenstil durch ein Treppenhaus getragen zu werden. Und den nächsten Nachteil offenbaren die instabilen Rettungsmittel spätestens am Evakuierungs-Sammelplatz: dort hält sich der Liegekomfort eines Leintuches auf hartem Asphalt doch arg in Grenzen.

Gründe genug für die Geschäftsführung des Klinikverbundes Südwest und dessen Sicherheitsmanagement mit Nachdruck nach innovativen Lösungsansätzen zu suchen. „Mit sechs Klinikstandorten in den Landkreisen Böblingen und Calw, rund 300.000 ambulanten sowie annähernd 80.000 stationären Patienten jährlich gehören wir mit zu den größten kommunalen Gesundheitsdienstleistern in Baden-Württemberg und sehen uns deshalb trotz oder auch gerade wegen der fehlenden gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf vorgeschriebene Evakuierungssysteme in der Verantwortung der Menschen, die sich in unsere medizinische und pflegerische Obhut begeben“, erläutert der kaufmännische Geschäftsführer Martin Loydl die Triebfeder für das neue Evakuierungskonzept des Verbundes. „Klinikgebäude mit drei bis acht Stockwerken sowie teils verwinkelte Gebäudestrukturen in unseren Altbauten im Alter zwischen 40 und 100 Jahren – das lässt einen angesichts der Bilder, wie wir sie alle im vergangenen Jahr beim Hochhausbrand in London erleben mussten, nicht wirklich ruhig schlafen.“

Die Lösung: Eine Evakuierungsmatratze, welche die Funktionen eines Evakuierungstuches bereits beinhaltet plus den Liegekomfort und den zusätzlichen Schutz und Halt einer normalen Matratze für den Patienten bietet. Halte- und Fixiergurte geschützt vom abwaschbaren Matratzenbezug und verborgen hinter Reisverschlüssen, griffbereit im Ernstfall, einfach und verständlich in der Anwendung und im täglichen Betrieb verschleißfrei sowie hygienisch einwandfrei zu desinfizieren. Das Matratzenmodell „Klinikverbund Südwest“ war geboren.

Im Notfall muss der Patient nicht umgebettet werden, wird liegend auf seiner eigenen Matratze mitsamt Bettdecke fixiert, vom Bett gehoben, und aus dem Zimmer gezogen. „Im Idealfall erfolgt die Evakuierung zu zweit, beispielsweise mittels eines Feuerwehrmannes und einer Pflegekraft, im Notfall kann aber auch eine einzelne Person die Matratze kontrolliert die Treppen hinab gleiten lassen und den Patienten auf dem stabilen, reibungsarmen Matratzenunterboden über den in Kliniken leichtgängigen, glatten Boden ins Freie ziehen“, so Bernd Waiblinger, Leiter des Sicherheitsmanagements im Verbund und federführend in der Entwicklung der neuen Evakuierungsmatratze. Zusammen mit dem Matratzenhersteller Hapeka und mit beratender Unterstützung der Hauswirtschaftsleitung sowie der Fachabteilung für Hygiene und Infektionsprävention im Verbund wurden die ersten Prototypen 2017 in Auftrag gegeben und sukzessive verbessert. „2018 ging die Matratze in die Serienproduktion, bis Ende des Jahres wollen wir alle unsere Krankenhausbetten mit den neuen Evakuierungsmodellen ausgestattet haben“, so Waiblinger. Spätestens dann können dank dem neuen Evakuierungskonzept nicht nur die Verantwortlichen im Klinikverbund Südwest, sondern vor allen Dingen auch die Patienten ruhiger schlafen in dem Wissen, dass ihre Matratze ein innovatives Innenleben beherbergt, das im Ernstfall Leben retten kann – und sie dennoch hoffentlich nie zu Gesicht bekommen.