Jährlich erleiden in Deutschland circa 250.000 Menschen einen Schlaganfall. Ein Viertel davon passieren, weil sich die Halsschlagadern krankhaft verändert haben (cerebrovasculäre Insuffizienz): In etwa 30.000 Fällen hat sich die vordere Halsschlagader (Carotis) durch kalk- und fetthaltige Gefäßwandeinlagerungen (Plaques) im Bereich ihrer Gabelung (Carotisgabel) verengt. An den Verengungsstellen (Stenose) können sich Blutgerinnsel bilden, die zu einem Verschluss führen oder zusammen mit abgelösten Plaqueteilchen kleinste Gefäßabschnitte im Gehirn verstopfen. Die Folgen reichen von vorübergehenden, Minuten bis Stunden dauernden Lähmungen, Seh- und Sprachstörungen, transiente ischämische Attacken oder TIAs genannt, bis zu einem Schlaganfall (Hirninfarkt) mit bleibenden neurologischen Ausfällen. Im schlimmsten Fall kann so viel Gehirngewebe geschädigt werden, dass Lähmungen bleiben, man pflegebedürftig wird oder gar der Tod eintritt. Tückisch: Die Symptome können zunächst auch erst verschwinden und zu einem späteren Zeitpunkt wiederkehren.
Im Fachzentrum Neurologie ist der Schlaganfall die häufigste stationär behandelte Krankheit. Dafür steht in Sindelfingen eine als regionale Schlaganfalleinheit nach den Kriterien der deutschen Schlaganfallgesellschaft zertifizierte Einheit bereit. In Calw ist die Schlaganfalleinheit nach den Kriterien der baden-württembergischen Arbeitsgemeinschaft als lokale Einheit zertifiziert. An beiden Standorten behandelt ein Team aus Ärzten, spezialisierten Pflegekräften, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Sozialarbeitern den Schlaganfall bestmöglich. Mit vielen intensiven Schulungen verbreiten wir die Erkenntnis, dass die Behandlung des Schlaganfalls bereits vor Eintreffen im Krankenhaus beginnt. Es reicht nicht, dass die Rettungskräfte das wissen – die breite Bevölkerung muss darauf aufmerksam gemacht werden. Denn: Je schneller die richtige Diagnose gefunden wird, desto besser sind die Behandlungsmöglichkeiten im Akutkrankenhaus und in der nachfolgenden Rehabilitation.
Ja. Beseitigt man die krankhafte Verengung mit Hilfe einer gefäßchirurgischen Operation, können Lähmungen, Seh- und Sprachstörungen vorgebeugt werden, weitere TIAs ausbleiben und das Risiko eines erneuten Hirninfarktes nach einem bereits stattgefundenen Schlaganfall sinken. Voraussetzung für die Operation ist eine diagnostizierte hochgradige Stenose, also eine Verengungsstelle einer oder beider Halsschlagadern. Andere mögliche Ursachen der Minderdurchblutung des Gehirns müssen ausgeschlossen oder zusätzlich bestmöglich behandelt werden.
Zum überwiegenden Teil leiden vorwiegend Patienten mit fortgeschritten verkalkten Gefäßen (Arteriosklerose) an der Systemerkrankung der Carotisgabel. Hierzu zählen Raucher, Diabetiker, Bluthochdruckkranke, Niereninsuffiziente, Patienten mit Fettstoffwechselstörung und Patienten, bei denen bekanntermaßen die Herzkranzgefäße, die Bauchschlagader oder die Beinarterien arteriosklerotisch verändert sind.
Das Behandlungsspektrum bei verengten Halsschlagadern reicht von der konservativen medikamentösen Therapie über die minimalinvasive Aufdehnung der verengten Stelle mit Ballonkathetern bis zur Operation mit Ausschälung des Kalkplaques. Welche Behandlungsmethode im Einzelfall indiziert und zu empfehlen ist, hängt von mehreren Faktoren ab – etwa, wie ausgeprägt die Verengung ist (Stenosegrad), wie der Plaques beschaffen ist, oder unter welchen weiteren Krankheiten der Patient leidet. Wir bieten alle Möglichkeiten an und stimmen die Behandlung individuell auf jeden einzelnen Patienten ab.
Um festzustellen, wie verengt die Halsschlagader ist, arbeiten wir mit der sogenannten Farbduplexsonographie: ein bildgebendes Ultraschallverfahren, das neben den Organstrukturen auch den Blutfluss farbig darstellt. So können unsere erfahrenen Fachärzte für Gefäßchirurgie ambulant exakt feststellen, wie verengt die Halsschlagader ist, wie schnell das Blut sie durchfließt und welcher Art der verschließende Plaques ist. Bei guten Schallbedingungen und eindeutigem Befund reicht die Duplexsonographie als alleinige Untersuchung zur Beurteilung der Halsschlagader vor der Operation aus.
Bei der Mehrzahl der Patienten untersuchen wir zusätzlich die Gefäße im Hals- und/oder Schädelbereich, ohne zu operieren (Angiographie). Das gibt uns unter anderem Aufschluss über Knick- und Schleifenbildung, nachgeschaltete Engstellen, Gefäßvarianten, die Höhe der Carotisgabelung und die Länge der Engstelle. Das sind Details, die bei der Operationsplanung bedeutsam sein können. All diese Informationen liefert die Magnetresonanzangiographie, die bei Patienten mit magnetisierbaren Implantaten und bei Platzangst nicht eingesetzt werden darf. Die früher übliche, mit einer Arterienpunktion und Kontrastmittelinjektion verbundene konventionelle Angiographie wird lediglich noch angewandt, um zwischen einer höchstgradigen Verengung und einem vollständigen Verschluss der Halsschlagader zu unterscheiden, oder falls sich sonographischer und magnetresonanzgiographischer Befund unerklärlich unterscheiden.
Um das Risiko während der Narkose und Operation sowie in der Phase danach abschätzen zu können und so gering wie nur möglich zu halten, können Zusatzuntersuchungen nötig und sollten wichtige Begleiterkrankungen medikamentös austherapiert sein.
Schlaganfälle zu verhindern und die damit verbundene Invalidität und Sterblichkeit in der Bevölkerung zu senken – das ist das Ziel, wenn wir Engstellen der Halsschlagader operativ beseitigen. Großangelegte, internationale Multicenterstudien zeigen, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind: Für Patienten mit mindestens 60- bis 70-prozentiger Einengung der Halsschlagader konnte ein eindeutiger Prognosevorteil für die Gruppe der Operierten gegenüber der Gruppe der rein medikamentös Behandelten nachgewiesen werden. Außerdem ist dem großen Erfahrungsschatz mit Carotisoperationen an gefäßchirurgischen Zentren wie dem unseren zu verdanken, dass die Rate größerer Komplikationen bei nur drei bis fünf Prozent liegt.
Zwar stellt der Grad der Einengung das wichtigste Kriterium für die Empfehlung einer Carotisoperation dar, prinzipiell muss aber bei jedem Patienten unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Informationen und Untersuchungsergebnisse entschieden werden. So kann zum Beispiel ausschlaggebend sein, wie der Plaques beschaffen ist, um sich bei einer weniger als 60-prozentigen, mit neurologischen Ausfallerscheinungen einhergehenden Verengung zur chirurgischen Therapie zu entscheiden.
In Bezug auf die richtige Wahl des Operationszeitpunktes ist es vor allem wichtig, zu unterscheiden, ob die Halsschlagader symptomatisch und asymptomatisch bedingt verengt ist. Klagt der Patient nicht über TIAs, oder liegen die zuletzt aufgetretenen länger als sechs Monate zurück, bezeichnet man die Carotis-Verengung als asymptomatisch. Die Wahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls ist vergleichsweise niedrig. Die dennoch empfohlene prophylaktische Operation kann als nicht dringlicher Wahleingriff geplant werden.
Für Patienten mit momentaner neurologischer Symptomatik, also nur wenige Tage oder Wochen zurückliegenden TIAs oder Hirninfarkt, besteht ein deutlich erhöhtes Risiko, in naher Zukunft den ersten oder einen weiteren Schlaganfall zu erleiden. Die Operation dieser symptomatischen Carotis-Stenose sollte innerhalb der nächsten Tage nach Symptombeginn erfolgen.
Patienten, die sich einem Eingriff an der Halsschlagader unterziehen, werden bei uns im Normalfall am Tag vor der Operation stationär aufgenommen. Sie befinden sich auf einer rein gefäßchirurgischen Station und werden von einem Pflegeteam betreut, das langjährige Erfahrung mit diesem Krankheitsbild hat. Am Tag vor der Operation wird die Umfelddiagnostik komplettiert.
Leidet ein Patient unter Arteriosklerose, die häufigste Ursache für die Verengung der Halsschlagader, macht diese vor dem Rest des Gefäßsystems keinen Halt. Bei einem Großteil der Patienten ist auch das Herzkranzsystem betroffen. Eine weitere Abklärung im Vorfeld der Operation ist über die Kardiologische Abteilung möglich.
Nach der Operation bleiben die Patienten in der Regel vier bis fünf Tage im Krankenhaus. Das Nahtmaterial muss nicht entfernt werden, da wir ausschließlich intrakutane resorbierbare Nähte verwenden, die zu einem schönen kosmetischen Ergebnis führen. Neben der direkten Kontaktaufnahme mit dem nachbehandelnden Arzt erhalten die Patienten am Entlassungstag den fertigen Arztbrief, so dass der Informationsfluss und damit die Versorgung der Patienten lückenlos sind.
Die medikamentöse Therapie mit Thrombozyten-Aggregationshemmern (ASS, Plavix etc.) ist in den letzten Jahren immer bedeutender geworden. Ein Großteil unserer Patienten, die sich einer Operation unterziehen müssen, wird mit diesen Medikamenten behandelt. Für jeden dieser Patienten wird in Absprache mit den anderen Fachabteilungen das individuelle Risiko besprochen. In Einzelfällen ist auch die Operation unter der dualen Thrombozyten-Aggregationshemmung möglich. Insbesondere bei Patienten mit einem medikamentenbeschichteten Stent (im Fachjargon Drug-Eluted-Stent) im Bereich der Herzkranz-Arterien ist bei dringlicher Indikation zur Versorgung der Halsschlagader eine Operation ohne Absetzen der Thrombozyten-Aggregationshemmer möglich.